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Die Flucht
Die Flucht

Als sich im Januar 1945 die Front der Oder näherte, zogen Flüchtlingstrecks durch Wiesau.

Jeder begann heimlich die eigene Flucht vorzubereiten. Wertgegenstände, häufig war dies auch nur Hausrat, wurden ver- steckt, um sie bei der Rückkehr wieder in Besitz zu nehmen.

Von den Jalta-Beschlüssen der Alliierten hatten die Menschen keine Ahnung. Be- vor die „Rote Armee“ kam, kamen in die Dörfer immer wieder die Kontrolleure des Regimes um zu prüfen, ob die Abgabe- verpflichtungen (z.B. Milch) und das Verbot der Schwarzschlachtung ein- gehalten wurden. Wen man bei Zuwider- handlung entdeckte, der wurde bestraft und im öffentlichen Aushang gebrand- markt.

Das nahende Inferno war für einige Men- schen Anlass Suizid zu begehen und an- dere löschten sich und ihre Familie aus.

In letzter Minute wurde dann der Räu- mungsbefehl ausgegeben. Der Fluchtweg Richtung Westen war durch die „Rote Armee“ versperrt.

Die Bewohner des Ortes Leipe hatten beschlossen sich dem Räumungsbefehl zu widersetzen. Einige versteckten sich in der Sandgrube, andere in den Gehöft- en. Einige verloren ihr Leben, wurden Opfer von Vergewaltigung oder begingen Suizid.

Die am Bahnhof von Klopschen harren- den Menschen hatten Glück, als sie mit einem Güterzug in den frühen Morgen- stunden des 9. Februar über Primkenau, Sprottau, Sagan nach Leipzig abfuhren. Primkenau wurde wenige Stunden später durch die “Rote Armee” eingenommen.

Am 9. Februar gegen 4 Uhr machte sich der Wiesauer Flüchtlingstreck auf den Weg über Klopschen, Quaritz und Sprottau in Richtung Sagan. Da- bei rückte die Front ständig an den Treck heran.

Die Straßen waren voll mit Flüchtlingen und Wehrmacht. Bei Sagan wäre es dann beinahe zum frühen Ende der Flucht gekommen.

Drei Tage und Nächte war der Treck, nur unterbrochen von kurzen Erholungs- pausen für Tier und Mensch, unterwegs gewesen, als im Gelände eine Panzer- spitze der „Roten Armee“ auftauche. Die- se wurde durch die Luftwaffe, die vom Fliegerhorst Sagan gestartet war, ange- griffen und kam zum Stillstand.

Im OKW-Bericht des Tages ließt sich das so: „Feind bei Sagan und Sommerfeld ab- gewiesen. Ferner unternahm er Vorstöße nach Norden Richtung Neusalz“ und am Folgetag lautete der OKW-Bericht: „Zwischen Autobahn und Sagan stieß der Feind mit stärkeren Kräften nach Wes- ten. Sagan ging verloren“.

Erst hinter Weisswasser war der Treck dem Druck der heranrückenden Front ent- kommen.

Die Verpflegung von Mensch und Tier und die Unterbringung waren täglich eine neue Herausforderung.

Einige, die westlich von Neiße und Oder Verwandtschaft hatten, gingen ihre ei- genen Wege. Für die Kerngruppe des Trecks begann bei Weisswasser ein Irr- weg der Flucht. Erst ging es Richtung Westen. In Torgau an der Elbe, wo sich wenige Wochen später Amerikaner und Russen begegneten, wurde der Treck dann Richtung Süden dirigiert.

Auf dem Weg durch das westliche Sach- sen wurden am 6. März zwei Wiesauer Kinder geboren. Wenige Tage dananch erreichte der Treck sein ungeplantes Ziel bei Göttengrün (Kreis Saalfeld) in Thür- ingen. Bis dahin hatte er über 500 Kilo- meter bei klirrender Kälte zurückgelegt.

Ein Teil der Wiesauer wurde im thüring- ischen Göttengrün und Umgebung unter- gebracht. Die anderen zogen weiter ins benachbarte Bayern.

In Bayern angekommen wurden die Wies- auer auf Oberfranken und im Schwerpunkt auf den Landkreis Kronach verteilt. Die Zwangseinweisungen von Flüchtlingen war für die angestammte Bevölkerung ei- ne unvorstellbare Belastung.

Erste Erfahrungen mit Flüchtlingen hatten die Gemeinden im Kreis Kronach mit der Unterbringung von ausgebombten Ham- burgern gemacht. Diese Erfahrung war gegen die Flut, die jetzt über sie herein- brach nur ein kleines Vorspiel gewesen.

Und sie ahnten noch nicht, dass es noch enger werden würde. Später folgten dann Sudetendeutsche und weitere Schlesier, für die Böhmen und Mähren Zwischen- station gewesen war.

Am Ende waren bis zu 30 % der Bevölk- erung in den Dörfern Flüchtlinge.

Durch die Grenzziehung der beiden deutschen Nachfolgestaaten wurden Oberfranken und Thüringen über Nacht von der Mitte Deutschlands an den Rand der Bundesrepublik bzw. der DDR ge- drängt.

Fortan gab es Wiesauer in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland. Die Nachkriegsjahre lebten Flüchtlinge und Einheimische in Ost und West dicht ge- drängt zusammen und hungerten gemein- sam.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepublik begann der Wegzug vieler Flüchtlinge aus Oberfranken. Auch in der DDR verteilten sich im Laufe der Zeit die Wiesauer über Thüringen hinaus.

Heute finden sich die Wiesauer und ihre Nachkommenschaft über ganz Deutsch- land und darüber hinaus verstreut. Ober- franken und Thüringen ist jedoch für etliche neue Heimat geworden.

Wiesau, das ist der kleine rote Punkt in der Europakarte, wird für seine Bewohner und deren Nachkommen immer in Erin- nerung bleiben.

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